Der große amerikanische General MacArthur sagte einmal von alten Soldaten – „Old soldiers never die, they fade away“. Bei diesem weltberühmten Zitat muss ich schmerzlich auch an unseren geliebten Segelflugsport denken und das ist nicht martialisch gemeint.
Insbesondere in Deutschland ist der Segelflugsport sowohl ein Breitensport als auch ein sehr erfolgreicher Leistungssport. Seit Jahrzehnten ist die Quelle und die Heimat des Breitensports Segelflug in Deutschland der Segelflugverein. Das lebensspendende Element dieses Breitensports und damit der Segelflugvereine ist die Segelflugausbildung.
Beinahe alle Aktivitäten eines Segelflugvereins entspringen diesem markanten Nukleus, oder anders ausgedrückt, ohne Segelflugausbildung ist der Segelflugverein ganz schnell ganz weg – seltene Ausnahmen natürlich ausgenommen. Den Treibstoff der Ausbildung bilden zum einen die engagierten FluglehrerInnen, zum anderen aber natürlich die FlugschülerInnen – der Fliegernachwuchs. Was für eine banale Erkenntnis?
Von 2007 bis 2015 (Quelle DAeC) reduzierte sich die Zahl der im DAeC organisierten SegelfliegerInnen durchschnittlich um jährlich 1,2 %. Bei dieser Entwicklung bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeit das Ende des Breitensports im Segelflug vorher zu sehen. Wer auf diese Situation nicht mit iberischer Gelassenheit reagieren möchte, stellt sich unweigerlich die Frage nach Stellschrauben, die diesen Trend aufhalten oder sogar umkehren können.
Nun ist der Segelflugsport gemessen an anderen organisierten Sportarten in unserem Land mit einer Mitgliederzahl von sage und schreibe 28.407 Mitgliedern definitiv eine Randsportart, kaum im Wahrnehmungshorizont unserer Medien, politischen Entscheidungsträgern oder Jugendlichen. Ein Ergebnis dieser fehlenden öffentlichen Sichtbarkeit des Segelflugsports ist ein schleichendes Dahinsterben, ein kaum spürbarer Verlust einer Gemeinschaft von Menschen die in den 60ern bis 80ern Jahren schon ganz andere Zeiten erlebt hatten.
Reflexartig könnte man eine Änderung der Methodik der Segelflugausbildung in Augenschein nehmen, sie möglicherweise vereinfachen – keine gute Idee. Die seit Jahren dynamisch weiter entwickelte und auf die veränderte Gesetzeslage adaptierte Ausbildungsmethodik ist erprobt, sicher und hat sich als belastbar bewährt. Sie ist ganz sicher nicht die Ursache für die ärgerliche Entwicklung der Vereinslandschaft im DAeC.
Veränderte Lebenskulturen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
Was sich jedoch ganz sicher und zum Teil dramatisch verändert hat, sind die Lebenskulturen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, ganz im Gegensatz zu der Mehrheit der Vereins- und Verbandskulturen im Segelflugsport. In diesem Dissens liegt der Kern des Problems, die Mutter aller Herausforderungen. Es ist der klassische Generationenkonflikt und die Frage ob man sich diesem ergebnisoffen stellt. Zu abstrakt?
„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte…“
Dieses Zitat ist über 2000 Jahre alt und stammt vom griechischen Philosophen Sokrates.
Über 2000 Jahre später geschieht Erstaunliches: Die Lektüre der neuen SINUS-Studie „Wie ticken Kinder 2016“ führt bei den Lebenserfahreneren unter uns zu heftigem Augenreiben. Die opponierende Gesinnungshaltung Jugendlicher der frühen Bundesrepublik ist perdue. Als konservative Werte verstandene Verhaltensmuster sind wieder „IN“ bei Jugendlichen. Risikovermeidung, insbesondere bei der Lebensplanung ist absoluter Trumpf. Dies gilt sowohl für das zwischenmenschliche Verhalten, als auch für die Berufswahl. Folgerichtig ist das Kultivieren eines Mainstreamverhaltens bei Jugendlichen und das wiederum bedeutet eine hohe Anpassungsbereitschaft an die damit verbundenen Normen und Werte. Nicht zuletzt wird eindeutig die moderne Dienstleistungsgesellschaft favorisiert, also das „Rundumsorglospaket“ gegen ein entsprechendes Entgelt und Eintreffwahrscheinlichkeit.
Dieses Verhalten ist nicht despektierlich. Sie ist logische Konsequenz einer Entwicklung die zu einer in der deutschen Geschichte bis dato noch nie realisierten Grades an wirtschaftlicher und physischer Freiheit des Individuums führte … und zu entsprechenden Verlustängsten von Eigentum, Sicherheit, Normen und Werten. Dieses Verhalten steht zeitgleich auch in Opposition zur tradierten Vereinskultur im Segelflug. Dabei könnte genau dieses Verhalten insbesondere für die Vereine von Vorteil sein. Es müsste dem Segelflugsport mit seinen klaren Strukturen in Ausbildung, Flugsicherheit und Verein ein Leichtes sein, eben diese Menschen in Massen für den Sport zu begeistern. Die Realität ist bis auf erfreuliche Ausnahmen jedoch eine andere.
Die Zahlen sind eindeutig! Die veränderte Lebenskultur lässt Institutionen wie die Segelflugschule-Oerlinghausen davon profitieren. Die Freude darüber währt jedoch nur kurz. Die gesteigerte Nachfrage ist viel zu häufig Ersatz und nicht Ergänzung zum Angebot der Segelflugvereine. Nun ist aber eine gesunde Vereinslandschaft im Segelflugsport die Existenzgrundlage eben dieser Segelflugschule und deshalb gehört die Stärkung der Vereine zu ihrem Selbstverständnis.
Gleichwertige Partizipation der Jugendlichen
Dienstleistung als Maxime, qualifiziertes und kundenorientiertes Ausbildungspersonal in Kombination mit einem effizienten und effektiven Zeitmanagement sind die Zugpferde der Segelflugschule und entsprechen der Erwartungshaltung moderner FlugschülerInnen. Darüber hinaus hält jedoch jeder Verein einen ungeheuren Trumpf in Händen, der viel zu selten gespielt wird:
Die gleichwertige Partizipation der Jugendlichen und damit des Nachwuchses an Entscheidungen und Entwicklung des Vereins.
Dies bedeutet den ultimativen Freiheitsgrad leben, bedeutet Vertrauen und Anerkennung, Verantwortung und Verpflichtung und entspricht exakt dem Wertekanon junger Menschen unserer Zeit. Sie beschenkt ihr Vereinsmitglied mit einer emotionalen und geistigen Heimat – unbezahlbar! Vereine, die sich dieser Herausforderung gestellt haben sind beinahe immer auf der Gewinnerseite.
Die Frage nach den Stellschrauben zum Erfolg ist damit einfach und schwierig zugleich beantwortet. Der Dienstleistungsgedanke entspricht der Erfahrungs- und Erwartungshaltung von Menschen unserer Zeit und wird als Teil der Vereinskultur ein Erfolgsbaustein. Eine effiziente Ausbildung zur Segelfluglizenz in einem Jahr als Ergebnis der kombinierten Anstrengung von Verein und Flugschule wäre ein weiteres Modul im Erfolgsrezept. Die Betreuung des Vereinsmitgliedes nach Erwerb der Lizenz macht die Dienstleistung Segelflug nachhaltig. Mit der selbstverständlichen Teilhabe aller Vereinsmitglieder und vor allem der Jungen an der Vereinsentwicklung wird das attraktive Bündel rund. Ein solcher Segelflugverein braucht die Konkurrenz zu den hoch professionell vermarkteten Sportarten nicht zu scheuen.
Segelflug – Es liegt nicht in seiner Natur schicksalsergeben zu verblassen!
Kontakt:
Stephan Olessak
Leiter der Luftsportschule des AEROCLUB | NRW
Tel: 05202 / 99690